Rege Beteiligung bei den Ludwigsburger Digitalisierungsgesprächen
Estland, der Föderalismus und mangelnde Mittel – darüber und noch über vieles mehr wurde am 26. März 2025 bei den Ludwigsburger Digitalisierungsgesprächen lebhaft diskutiert. Über 400 Interessierte lockte das Thema „Digitale Verwaltung in Deutschland - ein Wirtschafts-Standortfaktor?“ zur Teilnahme an der interaktiven Online-Podiums-Diskussion der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg - ein Rekord.
Begrüßt wurden die Teilnehmerinnen, Teilnehmer und die vier Gäste von Prof. Dr. Annette Zimmermann-Kreher, Prorektorin der Hochschule. Der Professor für Digitales Verwaltungsmanagement und Moderator der Veranstaltung Prof. Dr. Volkmar Mrass gab im Anschluss eine Einführung in das Thema und betonte, die Wirtschaft sei einer der wichtigsten Stakeholder im Bereich E-Government. Das belegte er mit anschaulichen Zahlen: Ein Unternehmen hat gemäß einer Studie im Schnitt 200 Verwaltungskontakte pro Jahr, ein Bürger nur ein bis zwei. Er präsentierte auch zur Einstimmung ein Ergebnis aus einer vom Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag der Hochschule durchgeführten Befragung: 62,2% der Bürgerinnen und Bürger stimmen der Aussage zu, dass Unternehmen in Sachen Digitalisierung weiter sind als die Verwaltung.
Bei der folgenden Podiumsdiskussion ging Dr. Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer für die Region Stuttgart, gleich darauf ein und argumentierte, dass die Unternehmen der Verwaltung bei der Digitalisierung laut einer IHK-Umfrage nur die Schulnote 4- geben. Sie räumte jedoch ein, dass die Wirtschaft sich selbst dabei nur mit einer 3+ bewertete. Um das zu ändern, braucht es ihrer Meinung nach nicht nur bessere Infrastruktur, sondern zudem eine sinnvolle Reform und Entschlackung von Regeln. Auch Prof. Dr. Hendrik Scholta, Lehrstuhl Digital Government & IT der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, gab zu bedenken, dass man den Föderalismus werde reformieren müssen. Digitalisierung ohne Standards sei schwierig. Er wünschte sich vor allem ein anderes Mindset in der Gesellschaft. Die Esten misstrauten dem Papier mehr als dem Digitalen, bei uns sei das genau umgekehrt.
Der Bürgermeister von Erdmannhausen Marcus Kohler schilderte eindrücklich die Schritte, die Erdmannhausen mit seinen 5300 Einwohnern in den letzten Jahren unternommen hat, um bei der Digitalisierung voranzukommen, angefangen von der Einrichtung von Mailadressen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis hin zur Cloud. Er brachte mangelnde Mittel als Problem für die Gemeinden ins Spiel. Digitalisierung koste Geld und Kommunen seien finanzschwach. Jonathan Weiter, parlamentarischer Berater im Bereich Digitalisierung der Grünen Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, zeigte Verständnis für diese Perspektive. Schließlich müssten die Kommunen kurzfristig eine Parallelstruktur aufbauen. Und es kämen immer neue Projekte dazu. Darüber, dass Digitalisierung immer erst einmal kostet, sich aber langfristig auszahlen wird, war sich die Runde am Schluss jedoch relativ einig.
Mit den Ludwigsburger Digitalisierungsgespräche will die dortige Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Vertretern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft eine Plattform zum Austausch bieten. Das Digitalisierungsforum für die öffentliche Verwaltung in Baden-Württemberg gibt es seit 2023. Die Ludwigsburger Digitalisierungsgespräche hatten sich bereits in den ersten eineinhalb Jahren ihres Bestehens mit insgesamt 1.539 Teilnehmern zu einer der größten regelmäßigen Veranstaltungen der HVF Ludwigsburg für eine externe Zielgruppe entwickelt. Bei den sechsten Ludwigsburger Digitalisierungsgesprächen am 26. März 2025 gab es nun mit 429 weiteren Teilnehmern den bisherigen Besucher-Rekord. Der nächste Termin der Reihe findet am 8. Oktober 2025 statt.